2015 - Nizza Horror und das Ende einer alten Freundschaft
Franz Rincke (Name von der Redaktion geändert) - 25 Jahre zu spät!
Fast jeder von uns wird das schon mal erlebt haben: Da geht ein alter Freund oder eine alte Freundin eine neue Partnerschaft ein, und man stellt schnell fest, dass der neue Partner dermaßen unaushaltbar ist, dass man sich fragt, welch extreme Verblendung hier vorliegen mag. Aber Liebesdinge unterliegen eben nicht dem rationalen Denken. Man gibt sich dann (Alternative 1) womöglich noch etwas Mühe mit dieser neuen Person, was aber nichts hilft, und letztlich läuft es darauf hinaus, dass man als höflicher Mensch einfach den Kontakt zu beiden meidet. Ist man weniger höflich und dabei mehr um das Wohl des alten Freundes bemüht, so kann man diesen (Alternative 2) auch auf die augenscheinlichen Mängel des neuen Partners hinweisen - natürlich nur auf die Gefahr hin, damit die Freundschaft zu zerstören. Wollen wir mal sehen, wie das in meinem Fall in Nizza ausgegangen ist.
Nizza, schon immer eine Superstadt, für mich die mediteranste von allen! Dazu kommt, dass man sich wie in Italien fühlt, also viel besser als in Frankreich! Bestes Essen, eine unübertreffliche Auswahl überwiegend roher Meeresfrüchte im Café de Turin an der Plaza Garibaldi, gelassenes Bummeln durch die Straßen, über die Märkte oder die Strandpromenade entlang, Nachtleben, bestens gelaunte junge Leute in den Gassen, Lifemusik an diversen Orten, eine Stadt zum rundherum Wohlfühlen für mich und meine Freundin Paloma. Und auch ein paar Bekannte oder alte Freunde von mir sind dort ansässig. Aber - wie gesagt - Vorsicht - insbesondere bei alten Bekannten, die man lange nicht gesehen hat oder zu denen man immer zu höflich war!
Diese Art von Problematik hatte sich bereits auf der Hinfahrt in unser Leben eingeschlichen, nämlich während unseres Nizza-Stops bei einem gewissen Jaques Mondeau, Gitarrist, sehr gitarren-interessiert, Duesenberg-Käufer und - Händler der ersten Stunde und mittlerweile selbst am Basteln von Gitarren mit Aluminium-Korpussen. Leider aber nun schwere Midlife Crisis oder Alterspsychose. Wir da jedenfalls angelangt, die Wohnung noch unaufgeräumter als im Vorjahr, ich alsbald auf die Straße zwecks stressfreierem Telefonieren mit meiner Tochter Jule, und er derweil - wie mir später berichtet wurde - Paloma angetragen, sie könne sich auch gleich in sein Bett legen, wenn es ihr zu kalt wäre. Alsbald ins nahe gelegene Turin Cafe, wo auch meine Tochter zu uns stieß, die gerade zwecks Recherche für ihr nächstes Buch in Monaco weilte. Jaques beide Mädels andauernd unangenehm fixiert, Jule des öfteren im Gesicht betatscht. Später in einem Lifemusik-Laden verlegte er sich dann darauf, seitlich an Paloma vorbei zu streichen und dabei mit dem Oberarm ihre Brüste zu berühren. Habe das nicht in dieser Intensität mitgekriegt, aber der Abend war keinesfalls angenehm. Nach einem völlig unnötig langen Zickzack-Heimgang haben wir uns per sofort in das Gästebett verzogen und am nächsten Morgen ganz leise dieses verwarzte Domizil verlassen.
Und dann auf der Rückfahrt: Franz Rincke, alter Schulfreund von mir. Wir saßen in den letzten beiden Gymnasiumsjahren nebeneinander, Franz war der intelligenteste unserer Klasse und hat mich netterweise immer abschreiben lassen - sowohl bei Haus- als auch bei Klassenarbeiten. Und wir sind mehrere Male zusammen von Hannover nach Korsika getrampt, immer bis Nizza und dann mit dem Schiff auf diese schönste aller Inseln. Trotzdem, ein irgendwie immer seltsamer Typ, der Franz. Es wäre wirklich interessant zu wissen, ob Franz im Grunde seines Wesens homosexuell ist, es aber nie geschafft hat, sich das einzugestehen, geschweige denn sich zu outen - "aus dem Schrank zu springen" wie man auf Spanisch sagt. Wenn ja, dann könnte das vielleicht einiges besser erklären.
So wurde ich denn auch im Jahre 1989 zu seiner heterosexuellen Hochzeit eingeladen. Franz wohnte zu dieser Zeit in Kempten, arbeitete als Werbetexter und hatte unseligerweise per Inserat jene polnische Hanka kennen gelernt, die bereits einen kleinen Sohn hatte. Die hat Franz wohl gekonnt den Arsch ins Gesicht gehalten, und so war denn alsbald Hochzeit. Für mich und andere war das der Wandel des Franz Rincke: zu Schulzeiten ein musikbesessener Gitarrist, dazu ein eher kritischer Linker, der nun immer kommerziellere Wege einschlug. Und der Antrieb dazu kann einfach nur diese Frau gewesen sein. Diese Frau, diese Hochzeit, alles war wie auf einem anderen Planeten. Ihre polnische Familie war natürlich komplett angereist, und man hatte eine Kutsche mit weißen Pferden bestellt. Unvorstellbar, insbesondere damals: Franz Rincke, heiratend, in einer Kutsche mit weißen Pferden! Wenn ich mich recht erinnere hat Franz Vater dann eine Rede gehalten, in der er zumindest etwas wie Verwunderung über die plötzliche Verbindung "mit diesem blonden Polen-Mädel" äußerte. Es war jedenfalls eine äußerst peinliche Feier und ich froh, am nächsten Morgen diese Gesellschaft schnell verlassen zu können.
Fortan habe ich Franz nur wenige Male wieder getroffen, praktisch nur, wenn er mal für irgendwas in Hannover war. Immer nette Treffen incl. mittags schön was essen gehen. Von Kempten ist er mit seiner neuen Familie samt neu gezeugtem Sohn an die deutsch-dänische Grenze gezogen und hat dort einen Versandhandel mit Bachblüten aufgezogen - alles - wie man so entnehmen konnte - gesteuert von seiner geld- und ansehensgierigen Polin. Auf deren Initiative hin ging es dann für einige Zeit nach England, und die beiden gründeten eine europaweite Ärzte-Vermittlung per Internet: http://www.germanmedicine.net/de Damit haben sie so gute Provisionen eingetrieben, dass sie es sich letztlich leisten konnten, ins mediterrane Nizza zu ziehen und von dort weiter vermittlungstechnisch aktiv zu bleiben. Na ja, ich wollte eigentlich nur Franz mal wieder sehen, und weil wiederum Nizza auf der Reiseroute stand, habe ich ihn zwecks Treffen angerufen. Wir haben uns für den zweiten Nizza-Abend verabredet - erstmal bei ihnen zuhause.
Dorthin zu kommen war schon mal eine Art schlechtes Vorspiel. Unser Hotel hafennah im Süden Nizzas, die beiden wohnten eher im Norden. Unser TomTom gab unklare Anweisungen, wir gerieten in einen nicht enden wollenden Tunnel und fanden uns nach allerlei Kilometern reichlich außerhalb der Stadt wieder. Letztlich kamen wir dann ca. eine halbe Stunde später als verabredet an, an jener sog. Residenz unter weiteren Residenzen - 10 Stockwerke hohe, riesige, hässliche Monster mit Blick über ganz Nizza und den Flughafen.
Eigentlich hatte ich mir geschworen, dass, wenn mich jemand zu sich nachhause einlädt und mich da auffordert, die Schuhe auszuziehen, mich sofort wieder zu verabschieden. Wenn jemand diese Umgangsform an den Tag legt, so ist das für mich ein K.O.-Kriterium erster Güte. genauso wie an öffentlichen Plätzen Kaugummi kauen oder mit kurzer Hose im Stadtzentrum herum zu laufen. Mit solchen Menschen bitte nichts zu tun haben! Daneben gibt es natürlich noch weniger schwer wiegende Kriterien z.B. Gel in den Haaren, Sonnenstudio-Bräune, intensives Coca Cola Trinken und dumme Borniertheiten wie z.B. grundsätzlich keinen Fisch zu essen.
Aber doch erstmal Alternative Numero 1 - Mühe geben! Also haben wir uns angesichts meiner uralten Freundschaft mit Franz von dieser Hanka die Plastikmützen über die Schuhe ziehen lassen. Hanka macht nun nämlich Joga und braucht einen klinisch gänzlich reinen Fußboden, und das in der ganzen Wohnung. Hanka - 25 Jahre nicht mehr gesehen - war damals immerhin ein attraktiver polnischer Braten, blond, gute Figur, wenn auch schon damals diese etwas leeren, haifischartigen Augen. Nun aber die typische Öko-Ruine: überlange, zottige Mähne, ein von einem üppigen Flutterkleid kaschierter und garantiert von polnischem Essen herrührender extremer Fettbauch, reichlich Schmuckgehänge, und eben immer noch diese Augen. Dazu die Gesichtshaut sehr straff, so straff, dass sich durchaus die Frage stellen ließe, wieviel Prozent Schönheitschirugen sich denn bisher unter den vermittelten Ärzten befunden haben.
Zu dem uns gereichten Glas Wasser erzählten uns die beiden nun aber recht schnell und begeistert eine ganz andere Geschichte, nämlich, dass sie jüngst zwei Monate im Dschungel Perus verbracht und dort unter Anleitung einheimischer Schamanen Ayahuaska, einen äußerst bitteren Drogentrunk zu sich genommen hätten. Sofort kotzen und dann heftige Halluzinationen. Und Franz konnte plötzlich die gesamte Welt erklären, bis dass der Zauber irgendwann vorbei war und sich wieder nichts mehr klären ließ. Höhö, ältere Leute plötzlich auf Drogen, ein gänzlich neues Leben! Und das auch noch mit oder unter obskuren Schamanen! Um dass etwas zu relativieren, warf ich ein, dass wir, Paloma und ich, ja schon als Jugendliche jede Menge LSD-Trips eingenommen hatten, und dass uns derlei Dinge keineswegs fremd oder abwegig seien. Hanka musste aber zu bedenken geben, dass die Dinge, die sie gesehen hatte, nicht Dinge von dieser Welt waren, sondern nur aus einem anderen Universum gestammt haben können. Na klar! Ansonsten hätte sie für diese Reise und Unterkunft einen Kühlschrank und tägliche Zimmerreinigung gebucht und nicht gewusst, dass da nachts die Affen eindringen und die Nahrungsmittel klauen. 2 Monate Peru, aber nichts gehört von Ceviche, diesem landestypischen köstlichen, marinierten Fisch. Nein, man wohnte mit Gruppen von Amerikanern zusammen und aß in amerikanischen Gasthäusern, einfach köstlich, super Essen! Ich frage mich jedenfalls, wie so etwas sein kann.
Wir durften dann noch einen Teil der Wohnung ansehen samt Rundum-Balkon, aber ohne Joga- und sonstige Innenräume, und dann sollte es auch schon nach Villefranche gehen, was noch weiter im Süden von Nizza liegt. Wir mussten also einfach den bereits aufwendig zurück gelegten Weg etwas kürzer wieder zurück fahren, dazu der Plan, unser Auto am Hafen stehen zu lassen und zu viert in deren Fahrzeug weiter zu fahren. Als wir unten an der Strandpromenade an einer roten Ampel halten mussten, sprang ich schnell aus dem Auto und rief Franz zu, dass wir doch besser mit 2 Autos weiter fahren sollten, kein Umstand wegen uns! Natürlich wollte ich nur für jeden Fall weiterer Peinlichkeit oder Eklat gewappnet sein, immer die Möglichkeit offen halten, sich unabhängig verkrümeln zu können!
Das Restaurant lag direkt am Wasser in der Bucht von Villefranche, sehr schön. Hanka wusste zu berichten, dass hier viele Gäste direkt von den Jachten kämen, manche würden auch von den Kellnern mit kleinen Booten abgeholt, und dann würden sich elegante Frauen mit langen Abendkleidern zum exklusiven Abendessen an Land begeben. Da haben wir doch gleich Hanka-Traum für die nähere Zukunft! Die Speisekarte entblöste dann die typische gehobene internationale Küche, diesen langweiligen Kram, den man in jedem besseren Hotel kriegt, winzige Fischfilets, leicht angemehlt in der Pfanne gebraten, dazu Gemüse-Tempura. Ein recht jämmerliches Amuse-Gueule mit Tapenade wurde zum Mineralwasser auf den Tisch gebracht. Ich bestellte eine Portion Miesmuscheln vorneweg, € 19,-, alles natürlich maßlos überteuert, weil reiche und neureiche Gäste, die entweder gar nicht wissen für welche Lapalien sie da mächtig Geld auf den Tisch legen oder denen es einfach egal ist, weil Geld im Übermaß und eh keinen Geschmack im Gaumen. Aber man will ja auch gesehen werden unter den anderen Reichen!
Zum Essen sollte man einen Wein bestellen, der schmeckt und der adäquat ist. Franz, von Wein weder viel wissend noch viel trinkend, hatte generöserweise einen 2006er Bordeaux bestellt. Ich glaube nicht, dass der da unter € 100,- zu haben war, wenn nicht sogar für mehr. Überhaupt, Franz ist kein geiziger Mensch, im Gegenteil, sonst wäre er schon gar nicht mit dieser Polin zusammen. Aber Franz hat nur wenig Eier. Da kommt da so ein Beitrag von ihr: "Eigentlich sind wir nur deshalb diese 25 Jahre zusammen, weil ich ihn andauernd verlasse und dann irgendwann wieder komme." Franz darauf: "Ja und ich, eigentlich nur, weil ich keine bessere gefunden habe." Vielleicht steht er mit seiner großen Intelligenz dermaßen über allem, dass er per sofort alles vergeben kann, was die anderen dummen Menschen da für einen Schwachsinn anstellen. Man weiß es nicht. Dabei gibt ja auch Erhebungen über "praktische Intelligenz". Mir kommt es jedenfalls so vor, als sei Franz damit nicht gesegnet.
Zurück zum Wein: Nicht, dass nun die kleinen, bereits auf dem Tisch stehenden typisch französischen Weingläschen für das Essen gegen Bordeaux-adäquates Kristall ausgetauscht wurden. Ich war nahe dran zu fragen, ob man nicht noch etwas kleinere Gläser bekommen könnte. Dann kamen die Muscheln, und es stellte sich heraus, dass Hanka - obwohl fast ein Jahrzehnt in Nizza lebend - noch nie auch nur eine Miesmuschel probiert hatte, geschweige denn andere Meeresfrüchte. Im weiteren pries sie dann das hervorragende polnische Essen an, "und wenn überhaupt, dann würde es höchstens bei ihr zuhause noch besser schmecken!"
Nach dem Essen machten wir einen längeren Spaziergang am Ufer entlang. Nun kam das Thema auf die beiden missratenen Söhne. Einen hatten sie zum Studieren nach Cambridge geschickt, den anderen nicht etwa nach Nizza auf die Uni, es musste ja gleich Monaco sein! Mitten rein in die Superreichen mit ihren Yachten und all ihrem Geld. Hanka dabei in ihrem neureichen Wahn nun wieder stolz, mit welchen reichen und aus prominenten Familien stammenden Freunden ihre Sprösslinge unterwegs waren. Und dann sich gleichzeitig darüber erregen, dass diese superreichen Söhnchen 40.000 Euro monatliche Zuwendungen bekommen, einfach zum Champagner Trinken! Sowas verdirbt natürlich - sowohl die Söhne als auch die Eltern, insbesondere wenn man finanziell zwar nicht schlecht gestellt sein mag, letztlich aber doch nur einen winzigen Bruchteil von dem zur Verfügung hat, was die wirklich Reichen haben! So hätten sich die Sprösslinge, die übrigens auch Bodybuilding und Surfkurse absolvierten und sehr stolz auf ihre kräftigen Oberarme waren, letztlich in eine große Unzufriedenheit katapultiert. Franz hatte von dem älteren erwartet, dass der in die Firma einsteigen würde. Die knappe Antwort sei gewesen: "Ich? Für Deine kleine Scheißfirma arbeiten?" Hanka war dann auf's Ganze gegangen und hatte von dem jüngeren gefordert, dass der ihr für alles, was sie für ihn getan hätte, die Hand küsst. Der Knabe hätte nur gelacht. Aber das ist doch kein Wunder bei solcher Erziehung! Als wir ganz außen links am Villefranche-Bay angekommen waren, ging mir die Idee durch den Kopf, Franz - anstatt uns jetzt gleich auf den Rückweg zu den Autos zu machen - anzutragen, man könnte seine Gattin jetzt und genau hier recht einfach um die Ecke bringen, wir beide sie einfach greifen und im Meer ertränken.
Am nächsten Nachmittag war bereits die Email da, man plane einen Gegenbesuch in Madrid, "zwecks Werkstattbesichtigung"- also nicht nur freundschaftlich, sondern sogar zweckgerichtet! Da fiel mir sofort Alternative Numero 2 ein: Unhöflich sein. Den Freund auf die augenscheinlichen Mängel des Partners hinweisen, auch wenn das jetzt 25 Jahre zu spät kommt!Also Email zurück: in kurzen Worten, dass ich schon immer für klare Verhältnisse war und wir uns eigentlich anstatt "Schuhe Ausziehen" sofort wieder hätten verdrücken sollen. Dass andererseits das Treffen mit Menschen, die die Welt mit derart anderen Augen sehen, fast schon wieder einen faszinierenden Aspekt hat, dass ich ihm aber letztlich unbedingt anrate, seine Braut sofortigst in den Wind zu schießen, weil unaushaltbar, völlig borniert, neureich und dazu - die gefährliche Seite - unehrlich, berechnend und skrupellos. Und dass er zusammen mit ihr leider immer ohne Freunde bleiben wird, weil es einer Körperverletzung gleich kommt, Leuten zuzumuten, mit dieser Person einen Abend zu verbringen. Ich könnte mir allerdings vorstellen, ihn in Madrid zu sehen, allerdings nur ihn allein! Na ja, alte Freundschaft gänzlich zerbrochen damit... Und wer ist wie immer schuld? Die Frauen!