2025-10-Angst & Schrecken im Acapulco

Zivilcourage


Hola.

Je älter ich werde, umso mehr rege ich mich auf über vieles, was um mich herum passiert, und bisweilen mutmaße ich, dass ich in kurzer Zeit einfach nicht mehr in diese Welt passen werde.

Dazu ein Text, den es mich zu schreiben trieb:

Was soll man bloß machen, wie soll man sich verhalten?

Es war stets ein Wohlfühlereignis, die Wohnung zu verlassen, hinauszugehen, auf die Straße, in Kneipen, Restaurants, oder gar zu verreisen zu erbaulichen Orten. All das war wunderbar und man musste kaum befürchten, angepöbelt zu werden, unangenehme Musik erdulden zu müssen oder sich über das schlechte Benehmen seiner Mitmenschen zu ärgern. Heute ist das nicht mehr so! So stellt sich die Frage, welcherlei Belästigungen man wie weit ertragen kann, denn man kann sich nicht immer entziehen.

Eine Begebenheit der letzten Tage, die man gut drehbuchmäßig mit viel Blut, Krankenwagen und Polizei in eine Filmhandlung hätte einbauen können:

Wir gehen zu Abend essen. Zwei Tische weiter sitzt eine fünfköpfige Familie: ein hochgewachsener Vater mit Lockenkopf, eine schwarz gekleidete, etwas ausgezehrt wirkende schlanke Mutter, ein blondes Kleinkind, welches eben gerade laufen gelernt hat, ein etwa sechsjähriger mittelblonder Junge und eine etwas ältere und größere blonde Schwester. Zwischenzeitlich verschwinden einige dieser Familie samt Vater in einen anderen Raum, der über einige Spielmöglichkeiten für Kinder verfügt. Die ersten Speisen werden aufgetragen, nur die Mutter und das Kleinkind sind am Tisch. Etwas später kommen Vater, Tochter und Sohn hinzu, um sich endlich über das bereits aufgetischte Essen herzumachen. Der mittelblonde Sohn fängt an, die Tochter beim Essen zu stören und zu nerven, worauf er sich von ihr eine Ohrfeige einfängt. Dieser kleine Bengel setzt urplötzlich einen extrem aggressiven Gesichtsausdruck auf, wie ein zähnefletschender Gibraltar-Affe, greift sich aus dem Besteckkorb ein Messer und fuchtelt damit vor dem Kopf der Schwester herum. Die Mutter hatte sich gerade das Kleinkind gegriffen, springt auf, bringt Sohn und Tochter auseinander, entreißt dem Unhold das Messer und scheißt nun die Tochter zusammen, sinngemäß, sie sollte ihren Bruder nicht ärgern. Der Vater ist während alldem nicht zugegen.
Der Teufelsknabe


Zwei Tage später dasselbe Restaurant. Wir hatten uns gerade an einen Zweiertisch gesetzt, als dieselbe Familie wieder einfällt und sich genau an den direkt neben uns befindlichen Tisch setzt. Wir hatten schon bestellt, standen aber sofort auf und flohen zu einem Tisch drei Reihen weiter. Wieder entschwanden alsbald Vater und Tochter in den Nebenraum, während sich der mittelblonde Messerhantierer  zu einem Tisch näher zu uns aufmachte, auf dem einiges Holzspielzeug zur Verfügung stand. Während er damit zugange war, kletterte das blonde Kleinkind auf den Stuhl daneben. Nach kurzer Zeit schlug der Messer-Bube dem Kleinkind ins Gesicht, erst einmal, dann nochmal, bis die Mutter hinzutrat und ihr Kleines kommentarlos zurück an den Esstisch schleppte.

Nun hier die Frage: Was hätte man tun können? Das Naheliegendste wäre gewesen, hinzuzuspringen, den Messerheini bei den Armen zu greifen, ihn anzuschreien, er solle seinen winzigen Bruder in Frieden lassen und ihn zur Mutter zurückzubefördern. Dort hätte man dann die Mutter zusammenscheißen müssen, was sie für eine kaputte Familie hätte, warum sie sich nicht entsprechend um ihre Kinder und deren Erziehung kümmert, und fragen, wo denn eigentlich ihr Mann verblieben sei, dem anscheinend all das völlig egal zu sein schien.

Aber: Wir haben nur angewidert zugeschaut, uns gegenseitig ereifert, aber eben gar nichts getan. Auch hätte sich die Frage gestellt, ob die Mutter, weil wir ihr ihren Teufelssohn hochgerissen und zu ihr zurückgebracht hätten, womöglich sofort die Polizei gerufen hätte – Kindesentführung, Nötigung oder was auch immer!

Nach dem Bezahlen der Rechnung ging Paloma hinaus zum Rauchen und ich kurz drauf mit vernichtendem Blick kurz bei der Mutter mit den Worten stehen bleibend: „Können sie Ihre Kinder nicht erziehen? Wieso muss ich mir hier an diesem Ort diesen Horror antun?“ Sie winkte nur gelangweilt ab.

Fazit: Bis wohin sollte heute die Zivilcourage gehen? Wie weit sollte man einschreiten in solch ungewohnten, schockierenden Situationen, die man zum Glück bisher in seinem Leben nicht teilen musste, zu denen es aber immer öfter kommt? Und in welche Risiken kann bzw. sollte man sich dabei begeben?

Noch ein Nachwort: Wir wohnen hier auf Formentera in einem Apartment der Gruppe Emar – Adults only (nur für Erwachsene – keine Kinder!). Wie kommt’s?