1970 -1979 der erste Schritt

1970


Zum Equipment-Kaufen fuhr man damals gern nach Hamburg. Da gab es „No.1“ in der Talstraße und „George’s Music Shop“ in der Gärtnerstraße. No.1 machte auf sehr dicke Hose (der Name ließ ja auch nichts anderes erwarten), war überteuert und präsentierte sich mit arrogantem Personal. Der freundliche George dagegen war ein echter Geheimtipp. Der hatte regelmäßig alte Fenders aus den 60ern, kannte sich tierisch damit aus und seine Preise waren ok. Sein Fachwissen ging so weit, dass er bei Strats und Teles sagen konnte, in welchem Monat oder Vierteljahr die gebaut wurden. Das muss man sich mal vorstellen – Anfang der 70er Jahre! Außerdem wickelte er Doppelspulpickups, die angeblich so klingen sollten wie alte Gibson PAFs oder gar besser. Die waren jedenfalls super, und das war lange bevor die ersten DiMarzio-Pickups in Deutschland auf den Markt kamen. Und noch einer von George: Er war der Mann, der mir gesagt hat, dass man, wenn man aus dem Strat 3-Weg-Schalter die kleine Feder rausnimmt, diese Zwischenstellungen zwischen den Pickups erzielen kann. 5-Weg-Schalter gab es nämlich damals noch nicht!
Und ich bin mehrere Male nach Den Haag gefahren. Da gab es den Servaas Muziekhandel. Der hatte Bigsby Tremolos und Guild- und Gretsch Gitarren, die er amerikanischen Touristen aufkaufte. Diese Bigsby-Optik fand ich schon lange äußerst scharf. Aber leider musste ich schon damals erfahren, dass diese Tremolos selten gut funktionierten - Verstimmung vorprogrammiert.

1971

Den großen Traum, als Musiker berühmt zu werden, hatte ich mir dann trotz gut verfügbarer Zeit bald abgeschminkt. Genau genommen, nachdem ich aus ewiger Geldknappheit kurz nach dem Abi im Herbst 1972 in Bremerhaven mit einigen Bandmitgliedern morgens um fünf bei einem Bananendampfer antreten musste, um Chicita-Kartons zu entladen – die gelben Bananen auf die Viehfutter-Palletten, die grünen zum weiteren Verkauf. Aus dem ursprünglich angepeilten Job in einem Ami-Club war nichts geworden. Dabei waren wir gar nicht schlecht – Soulmusik mit allerlei Billy-Preston-Nummern etc. Zurück in Hannover schrieb ich dann deutschsprachige Songs wie „Hallo Herr Frankenstein, bau’n Sie mir ne Frau“.

Durch einen Studentenjob als Umzugs- und Entrümpelungshelfer kam ich auf die Idee, umzusatteln, Umzüge und Entrümpelungen selber zu machen. Der Typ, für den ich arbeitete, verdiente wirklich ein Mördergeld. Und mein erster Gedanke in diesen frühen Jahren war wie schon gesagt, mich schnellstmöglich von meinen Eltern unabhängig zu machen. Also kaufte ich mir einen alten Ford Transit und begann Kleintransporte und Entrümpelungen anzubieten. „Student übernimmt Kleintransporte und Entrümpelung jederzeit und günstig“. Das war eine super-Sache, wobei man bemerken muss, dass ich schon damals, 1972, einen Teil meiner Einkünfte in den Verzehr italienischer Gerichte verbraten habe. Gleich um die Ecke von meiner WG war der erste Italiener Hannovers, Via Veneto, der schon damals nicht nur Pizza und Pasta von feinster Hand kreierte, sondern dazu ein ansehnliches Antipasti-Buffet zu bieten hatte.

England

Dann erreichte mich die Kunde, dass man in London äußerst günstig alte Marshalls und Vöxe ergattern könnte. Jawoll, eine weitere Möglichkeit, mich finanziell unabhängiger von meinen Eltern machen zu können. Also fuhr ich alsbald mit meinem Transit nach London, Verstärker und Boxen kaufen. Da gab es so ein Anzeigenblatt namens „Exchange a Mart“, wo man die guten Sachen finden konnte.

Also quer durch London und diverse Vororte. Der Transit wurde Tag um Tag voller, und nachts schlief ich im Schlafsack auf der Matratze, die oben auf meinen Equipment-Schichten lag. In Sachen „Kauf einer Höfner Committee“ lernte ich in einem Shop in der Denmark Street einen Typen namens Roger Giffin kennen, Gitarrenreparateur, der zuhause eine kleine Kellerwerkstatt hatte und aus rohem Holz Fender-Hälse raspelte. Letztlich hat mich diese Art von Eigeninitiative schon immer inspiriert und auf neue, eigene Wege gebracht. Was der kann, kann ich schon lange! Die Höfner habe ich heute noch, und sie hat mir Einiges an Inspiration gegeben, das gute „deutsche Design“ in meine Duesenberg Gitarren einfließen zu lassen. Und der Roger ist irgendwann später bei Gibson gelandet.
Höfner Committee
Die alten Verstärker und Boxen von Marshall, Sound City, Vox usw. waren gut abzusetzen. Nur letztlich das Geld von den Musikern einzutreiben, war ein Problem. Aber ich hatte was gelernt vom Business.


In dieser schönen Zeit öffnete das Leine Domizil seine Pforten, der beste Livemusik-Laden in unserem eher langweiligen Hannover. Da spielten gute Bands aus der Region und dazu gab es Highlights wie Vitesse, Steve Gibbons, Inga Rumpf, Herman Brood, Roger Chapman etc. Überhaupt war das ‚Domi‘ ein super Scenetreff und beherbergte außerdem eine Schar echt heißer Mädels, die generell allen Musikern äußerst zugetan waren. und sich nicht darin erschöpften, ihre Zungen nur in unsere Ohren zu stecken. Das Domi war wie eine Schule bester Erotik, und diese Girls waren nicht etwa blöde. „Groupies" konnte man die in diesem Sinne auch nicht nennen. Die hatten nur Spaß am Sex und man konnte viel Spaß mit denen haben. Und ab und an wurde sich ein neuer Gitarrist gesucht.

Und zu guter Letzt sollten einige Jahre später jede Menge all dieser angesagten Musiker in unser 1980 eröffnetes hannoversches Domizil einschneien. Ein Highlight war stets Roger Chapman, dessen Gitarrist Steve Simpson während eines atemberaubenden Konzertes auch unsere Gitarre mit dem weiblichen Korpus zum Einsatz brachte. Und Geoff Whitehorn deckte sich jedes Mal mit jeder Menge Guitar Parts ein.

Steve Simpson

1972

Kunst
Eigentlich wollte ich Kunst studieren. Ich hatte eine Sammelmappe meiner damaligen künstlerischen Ergüsse samt Bewerbung an die Uni Berlin geschickt. Lange Zeit keine Antwort. Und als ich endlich die Zusage erhielt, hatte ich schon geraume Zeit einen Studienplatz an der Pädagogischen Hochschule Hannover, (Lehramt), Schnapsidee! Außerdem war  ich schon länger leiert mit meiner Freundin „Hanni“ und habe deshalb Berlin und die Kunst sausen lassen.

1974 

Nach fünf Semestern PH-Studium war ich entnervt vom pädagogischen Alltag und zog mit Hanni, der späteren Mutter meiner Tochter Julia „Jule“ zwecks Jurastudiums nach Würzburg. Jura, die zweite Schnapsidee! Ich glaube, die meisten Juristen haben das nur gemacht, weil ihnen nichts Besseres eingefallen ist. Und dann ein Leben als „mietbares Gewissen!“ Nein, danke, aber jetzt erst mal egal … Würzburg… meine Band „Otto’s Ohrwurm“ war schnell gegründet und ich hielt mich weiterhin über Wasser mit Entrümpelungen, Umzügen und Transporten jeglicher Art. Darüber hinaus widmete ich mich an diesem wunderbaren Ort am liebsten der Reparatur von Gitarren und Bässen der ansässigen Musiker.

Otto’s Ohrwurm


In der Küche hatte ich schon eine kleine Werkelbank eingerichtet und meine vornehmlichen Basteleien bestanden darin, diverse Pickups von Höfner-Gitarren – die äußerst billig zu erwerben waren – zu zerlegen. D.h. die Kappen abzulöten und ins Innere zu schauen, weil nämlich einige echt gut klangen, andere aber nicht und ich wollte wissen, warum. Fazit: bei letzteren wurden statt zwei Spulen (Humbucker) nur eine verbaut. Aber immerhin lag bei dem Höfner-Pickup unter den bzw. der Spule ein Alnico-500-Magnet. Also der gleiche silbrige Magnet, wie er in den Gibson-Pafs verwendet wurde. Sieh an, sieh an … Jedenfalls klangen die Tonabnehmer mit zwei Spulen super, beste Mini-Humbucker.

Nur wollte das damals – und womöglich bis heute – keiner wirklich wahrhaben. Alle waren nur auf den Spuren dieser vermeintlich so tollen Gibson-Humbucker. Dabei fällt mir noch ein, dass ich schon Jahre vorher von jemandem gehört hatte, dass es in San Diego irgendwelche Typen geben sollte, die angeblich gute Nachbauten der alten PAF-Pickups machten. Ich also zur hannoverschen Industrie- und Handelskammer und da amerikanische Firmen-Adressbücher gewälzt. Tatsächlich fand ich in San Diego eine Firma, deren Business mit „Pickups“ notiert war. Ich hingeschrieben und etwa vier Monate später kam ein Antwortbrief, dass man sich über meine Anfrage gefreut hatte, aber lediglich Fahrzeuge zu Autos mit Laderampe modifizierte: Pickups eben, klaro!

1976 

1976 wurde sie geboren, unsere Tochter Julia, und kurz darauf sind wir von Würzburg nach Göttingen gezogen. All das waren gute Gründe, die Familien in Hannover und Eimbeckhausen öfter zu besuchen. Zumal die Eltern meiner Hannelore in Eimbeckhausen (35 km entfernt von Hannover) eine riesige Stilmöbelfabrik hatten, wo man z.B. auch Gitarrenbodies hätte herstellen können – keine Frage! Hannelores Bruder Hardy managte die Fabrik und erlaubte mir allerlei Einblicke. Mein erster Eindruck war, dass es viel aufwendiger ist, einen Biedermeier-Stuhl zu produzieren als einen Gitarrenbody oder -hals! Generell werden jede Menge Fräs-Schablonen verwendet, mit denen man an professionellen Maschinen Formen kopiert und produziert.
Wenthe

1977 

Einem Tanzmusiker hatte ich für 50 Mark einen stark verwarzten 62er Strathals abgekauft, bei dem die Bünde ziemlich runter waren. Bundieren konnte ich damals noch nicht, aber mein Freund Ullus kannte einen Gitarrenbauer in Erlangen-Bubenreuth. Da bin ich hin, überreichte ihm den Hals und wir kamen ins Gespräch, was denn sonst alles für Firmen hier in der Gegend seien usw. Und da gab es nicht nur die Gitarrenfabriken Höfner, Hoyer, Framus und Klira, sondern auch eine Reihe Zulieferfirmen, die Holz- und Metallteile und Tonabnehmer-Innereien, Pickguards und Sonstiges für jene Fabriken herstellten. Ein echter Hotspot!

Und hier überhaupt erst mal ein wichtiger Aspekt in Sachen Gitarrenproduktion, der mir überhaupt nicht klar gewesen war und bis heute den Gitarren-Käufern eher verschwiegen wird: Eine Gitarrenfabrik produziert nicht alles selbst. Die Haupttätigkeit besteht im Design ihrer Modelle. Bestenfalls in einem Teil der Holzfertigung, in der Auswahl der Komponenten und letztlich im Zusammenbau, im Lackieren, im Assembeln und im Einstellen.

Die meisten Komponenten werden bei Zulieferern geordert, die auf die Verarbeitung bestimmter Materialien spezialisiert sind. Das ist genau wie bei einer Autofabrik, die weder Sitze, Auspuffanlagen Innenausstattung, Reifen und Felgen, Bremstrommeln und sonst was selber herstellt. Und hier all diese deutschen Firmen, die die deutsche und amerikanische Gitarrenindustrie belieferten. Und wie man weiß, war nach dem Krieg „Made in Germany“ schnell zu einem neuen Qualitätsbegriff geworden.

Ich also alles in mein kleines Notizbuch notiert, auf die Straßenkarte geschaut und  dann einige abgeklappert. Surprise, Surprise! Insbesondere gab es eine Hardware- Feinmechanik-Firma und eine Firma, die u.a. Pickguards herstellte. Echt korrektes Zeug! Und niemand wusste, dass diese Firmen auch die Amis belieferten.

Wir Deutschen sind ja immer etwas underdogged, unser Licht unter den Scheffel stellen. Seit ich in Spanien wohne, sehe ich das ganz anders. Unser Land hat wirklich ein unglaubliches Ansehen, was unsere Produkte angeht. Und ebenso hier! Alles tolle Sachen auf hohem Qualitätsstandard, und dazu der Hauptpunkt: Alles zu super Preisen! Ein Satz Mechaniken zu einem Drittel des Schaller-Preises, eine Wrap Around Bridge, die von Badass im Laden 120 DM kostete, war bei der Hardware-Firma für einen Bruchteil zu haben. Genau in dem Moment wusste ich, was mein zukünftiges Geschäft sein würde: Guitar Parts!

Dabei sei erwähnt, dass es so etwas zu diesen Zeiten praktisch gar nicht gab. Vielleicht ein paar Schaller-Teile oder horrend teure Bigsby Vibratos, irgendwann die ersten Di Marzio Pickups, aber das war es auch schon. Und die ganze Gitarristenfront – mich nicht ausgenommen – lechzte nach solchem! Es gab zwar schon damals ein paar annehmbare deutsche Gitarren, insbesondere von Hoyer. Aber alles waren Kopien von Gibson und Fender. Fast alles war aufwendig gemacht, z.B. all diese Metallpickguards oder die Schaller-Mechaniken bester Qualität. Aber davon ab haben die meisten deutschen Gitarrenfirmen damals mit viel Geldaufwand eher unfunktionale und oft stümperhaft designte Instrumente produziert. Man denke nur an diese Schichtholzhälse von Framus! Die waren sicher sehr stabil, aber die klangen einfach nicht, wie eben dann die gesamten Gitarren nicht klangen. Und im Detail zu geringe Saitenabstände an den Brücken, schwache Andruckwinkel vom Tremolo auf die Brücke, hässlichste Halsbefestigungsplatten, und selbst bei den Tonabnehmern hat niemand darauf geachtet, dass die peinlichst genau errechneten Spulenwerte dann nach Überziehen mit einer vernickelten Messingkappe in die Knie gehen würden. Schade all das!


Zurück in Würzburg saß ich einige Abende später in der Badewanne und meditierte über diese Dinge. Wissenswertes über Erlangen! Alles war da, um damit ein Business aufzuziehen, jegliche Komponenten. Alles war preiswert und bestens. Hardware, Mechaniken, Pickups, Holz für Hälse. Meine Meditation endete urplötzlich im ersten Elektrogitarrenbausatz der Welt, jawoll, den Leuten alles bereitstellen, aus dem sie sich ihre individuelle Gitarre bauen können!
Wannen-Genuss
Als ich dann in Bubenreuth den wunderbar neu bundierten Strat-Hals abholte, machte ich erneut einen Abstecher zu einigen Zulieferfirmen. Ich also alle Prospekte und Preislisten eingesackt und mir weitere Gedanken gemacht über ein erstes Sortiment für meinen Versandhandel.

Müller & Sohn - Die Hardware-Company


Firma Müller gibt es leider schon lange nicht mehr; eine kleine mittelständische Feinmechanik-Schmiede mit immerhin rund 20 Mitarbeitern. Für praktisch alle deutschen Gitarrenfabriken haben die feinmechanisch Hardware hergestellt, also aus Messingprofilen und Blechen gefräste Stege, Saitenhalter und mehr. Man kann ja Metallteile aus dem vollen Material mit Fräsern und Bohrern herausarbeiten oder in einer Gussform unter hohem Druck aus Zink gießen. Letzteres ermöglicht bessere Gestaltungsmöglichkeiten und ist in der Produktion wesentlich preiswerter. Aber für uns Gitarreros führt das leider zu Abstrichen in der Soundqualität saitenführender Elemente (abgesehen von Parts, die im Aluminium-Guss hergestellt werden).

Diese Firma arbeitete jedenfalls alles aus soliden Messing-Blöcken, so auch die wunderschönen Saitenhalter und Stege für namhafte amerikanische Firmen wie Gretsch und Guild. Der Chef Horst Müller war ein genialer älterer Mann mit gutem Humor und auf meine Frage, ob ich Hardware in meinem Design bei ihm bestellen könnte, antwortete er siegesgewiss: „Wir können ALLES machen!“

Und hier zur Komplettierung sein Sohn Klaus (Foto rechts), der die Firma nach des Vaters Tod unter "ABM" noch einige Jahre weiter führte, bis dann auch bei ihm der Sensenmann vorbei kam. Seine Frau hat dann die gesamte Firma nach Berlin an eine Firma verkauft, die exklusive Füllhalterfedern herstellt.

ROKO

Robert Kolb
Ansässig direkt in Bubenreuth und seit langem nicht mehr existent war die Firma Robert Kolb mit dem klangvollen Markennamen ROKO. Das war ja überhaupt so ein speziell deutsches Ding, dass die Firmeninhaber aus ihren Vor- und Nachnamen je eine Silbe extrahierten und das zu ihrer Marke machten. Siehe auch HARIBO (Hans Riegel Bonn). Immerhin haben sich Müller & Sohn nicht „MÜSO" genannt.

Der gute Robert Kolb begann nach dem Krieg – wie auch die Firma Schaller – Gitarren- und Geigenbestandteile zu produzieren. Insbesondere Mechaniken, Stege und Saitenhalter in Druckgusstechnik, sowie Stanzteile aus Stahl. Robert war politisch ziemlich rechtsgerichtet, lief immer in Trachtenanzügen rum und rümpfte bei Kleinbestellungen stets die Nase. „Herr Gölsdorf, wenn Sie da NUR 20 Satz von bestellen, das kann doch für Sie auch kein Geschäft sein!“

Dabei übersah er natürlich tunlichst, dass ich in meiner damaligen finanziellen Situation nicht in der Lage war, mehr als 20 Satz zu ordern. Ansonsten muss man aber eingestehen, dass er ein wirklich innovativer Techniker war und ein paar außerordentliche und äußerst haltbare Produkte zu bieten hatte, die auf jeder Menge Höfner-, Framus-, Klira- und auch auf Gretsch-Gitarren verbaut wurden, quasi Panzerbauweise. Das beste Produkt aus dem Hause Kolb allerdings war eine patentierte Mechanik, bei der mittels eines Stahlfederblech-Clips das Schneckenrad gegen das Zahnrad gepresst wurde. Und eben jene Mechanik funktioniert bis heute einwandfrei – also nach immerhin rund 50 Jahren. Sowas gibt es bei keinem anderen Fabrikat!
ROKO Hardware

Dabei fällt mir noch ein, dass ich 1979 dem Herrn Kolb gesteckt hatte, dass sich unter den rhombenförmigen Abdeckungen der insbesondere von Fender verwendeten 6-links-Mechaniken - hergestellt von der Firma Schaller - sein patentiertes Federblech versteckt hielt. Der Kolb hat daraufhin den Schaller verklagt und muss vor Gericht einen riesigen Batzen Geld erstritten haben. Auf die Idee, mir für meinen Tip vielleicht eine kleine Vergütung zu bezahlen, ist er nicht gekommen. So habgierig sind halt viele Menschen!

Die Schallers


Höfner

Christian Benker (rechts)
Höfner war da gleich um die Ecke, damals noch unter Leitung eines Herrn Benker. Ein wirklich freundlicher Mann, der mir auch umgehend das Lager zeigte. Da gab es jede Menge halbfertige Hälse, von denen er mir mit Freude einige verkaufte. Für die Produktion hatten sie eine Kopierfräse und jeder Hals war exakt wie der andere. Allesamt aus Ahorn gearbeitet, was man bei den fertigen Gitarren kaum zu Gesicht bekam, weil die Hälse alle deckend lackiert waren. Jedenfalls kriegte ich so einen ersten Eindruck in Sachen Halsfertigung.

Pickguards


Kolophonium und Deckenschoner … Was sind denn bitte Deckenschoner? Na, Pickguards! Und Herr Glassl produzierte aus echtem Zelluloid sämtliche Pickguards für die deutsche Gitarrenindustrie und für einen Haufen Gitarrenbauer. Das Kolophonium hat mich nicht interessiert; rötlich durchsichtige Brocken, über die man die Bögen der Streichinstrumente zieht. Für Pickguards jedoch hatte er diverse Farben und geschichtete Platten (weiß-schwarz-weiß oder schwarz-weiß-schwarz und ein wunderschönes Schildpatt). Und seine Preise waren genauso günstig wie bei all den anderen Lieferanten. Die Pickguard-Produktion hat er leider seit langem eingestellt und sich nur noch aufs Kolophonium-Geschäft spezialisiert.


BRÜKO - Halsrohlinge etc.

Halsrohlinge
Da gab es auch diese Tonholzfirma BRÜKO (Brüder Kollitz), die sowohl Zargen und Decken für Hollow-Bodies, als auch komplette Korpusse aus Sperrholz produzierte. „Schachteln" nannten die das damals, während Solidbodies „Bretteln" genannt wurden. Sie hatten sogar ein Patent auf die Herstellung massiver Decken mittels Hitze, Feuchtigkeit und Druck.

Außerdem fertigten diese fränkischen Perfektionisten genauestens nach Maß vorgefräste Halsrohlinge aus Ahorn und Mahagoni inklusive Halsverstellstab. Da musste „nur“ noch das Griffbrett draufgeleimt werden und dann natürlich jede Menge Schleifarbeit und das Bundieren. Damals bezogen praktisch alle kleineren Gitarrenbaufirmen und Individualisten die Rohlinge vom dieser Firma, weil das viel Arbeit, Zeit, Späne und reichlich Staub sparte.

Griffbretter

Griffbretter
 
Weiterhin gab es noch diese Griffbrett- und Intarsien-Firma Klier, die mit ausgefuchster Technik allerlei Sorten von Griffbrettern samt Bundschlitzen mit jeglichen Perlmutt-Einlagen produzierte. Der Chef, Herr Klier, präsentierte mir bei meinem ersten Besuch stolz diverse Headstock-Overlays mit Gibson-Emblemen.

Kaum zu glauben, aber dieser Mann machte damals quasi alles an Inlay-Works für fast sämtliche amerikanischen Firmen, also Gibson, Fender, Martin, Gretsch und wen sonst noch. Außerdem hatte er erstklassigen Bunddraht in allen möglichen Abmessungen und ein dickes Sortiment an Sätteln, Bridge-Inlays und Bridge-Pins. Da habe ich dann, wie die allermeisten Handwerker dieser Zunft, kräftig eingekauft. Insbesondere für die Bünde vorgeschlitzte und bereits gerundete Griffbretter. Mit den vorgefrästen Hals-Rohlingen konnte ich die Hälse dann tatsächlich selber machen. 

Shadow Pickups – Joe Marinic

NAMM mit Joe Marinic
Joe „Josip“ – auch in der Nähe – ist ein super Typ, der mir in den Anfängen sehr geholfen hat. Er hat nicht nur den Under-Saddle-Piezo-Pickup erfunden, sondern fertigte außerdem einen Haufen Pickups für alle möglichen Firmen. So auch Doppel-Spul-Pickups für Hoyer, die für damalige Verhältnisse schon einen schön präsenten Humbucker-Sound hatten. Doch das Wichtigste war: Er bot mir jegliche Pickup-Parts, wie Spulenkörper, Magnete, Polschrauben und Pole-Pieces zum Kauf an, nebst Potis, Schalter, Buchsen etc. Bei diesem ersten Besuch habe ich gleich (siehe spätere Pickup-Experimente) allerlei Teile eingekauft.

Und praktisch alle Pickup-Plastikteile wurden im Spritzgussverfahren hergestellt. Für Derartiges muss man bei Spezialfirmen hochdruckfeste Stahlformen erstellen lassen, und jede Form dieser Art kostete schon damals an die 10.000 Deutschmark – nichts, was ich mir hätte leisten können. Aber ich hatte die Quelle für amtliche Pickup-Parts!

Saiten

Im selben Hause befand sich eine Firma namens OSMA-Saitenspinnerei, die auf die Herstellung von Saiten für klassische Instrumente spezialisiert war, aber auch Gitarren- und Bass-Saiten aus den USA importierte und – neutral verpackt, oder speziell gelabelt –, weiterverkaufte.

Damit hatte ich so gut wie alles zusammen, um alle Gitarristen und Bassisten - und natürlich auch mich selbst - glücklich zu machen! Nichts war plausibler, als damit ein Geschäft aufzumachen.

Business

Also erneut zurück in die Badewanne – (für mich immer noch der beste Platz für kreatives Denken) zu meiner Idee für den ersten Gitarrenbausatz der Welt:
… und fertig ist die ureigene Gitarre.

Das einzige Problem war der Body mit eben jenen Ausfräsungen, mit dem jeder – wie ich damals – zu einem Tischler gehen konnte, um sich die selbst designte Form an der Bandsäge aussägen zu lassen.

Aber eine luftige Halspassung war schon damals ein wichtiger Punkt, der oft in Gitarren-Tests der Fachpresse kritisiert wurde und zu heftigen Minuspunkten in der Endwertung führte (insbesondere bei den CBS-Fender-Gitarren nach 1964).

Bei meinem Bausatz würde der Käufer die Option haben, den Hals einzuleimen oder per Schrauben am Korpus zu befestigen. Und hätte die Halsausfräsung des Bausatzes „zu viel Spiel“ (wie bei einer Fender), so wäre das das Aus für meine Idee gewesen. Somit galt es unbedingt sicherzustellen, dass sich der Hals unabhängig vom Design passgenau in den Korpus fügte.

Hannis Bruder, Hardy, erklärte mir, wie man die Fräsungen perfekt ins Holz kriegt, und so stellte ich mich nach Feierabend in der Möbelfabrik an eine Kopierfräse und machte mich an die Arbeit. In dieser Fabrik habe ich ´ne Menge gelernt, praktisch alles, was Holzbearbeitung angeht.
Rohling Body

1978

Endlich war nun die Zeit gekommen, mein Geschäft zu gründen … Geld musste her. Ein befreundeter Musiker (Spitzname "Der Kredithai") arbeitete in Hannover als Banker und riet mir, mit meiner Idee einen Kleinkredit zu beantragen. Was natürlich blanker Unsinn ist, denn ohne Sicherheiten rücken die Banken keinen Pfennig raus. Zum Glück hat dann aber meine Hanni (Möbelfabrik in der Hinterhand) für mich gebürgt. Aber für was? Für lächerliche 5.000 Mark (heute € 2.500)! Dennoch: Mit meinem wenigen, bereits gesparten, und den Almosen von der Bank habe ich mein erstes Sortiment an Parts und Bausatz-Komponenten geordert. Ein Sprung ins kalte Wasser …

Atze’s Soundhouse holt den Sound raus!

Offizieller Geschäftsbeginn

So hieß mein erstes Versandgeschäft, und in Hannover sagen sie bis heute „Atze“ zu mir. Im „Fachblatt“ (vormals „Riebe’s Fachblatt“, heute „Gitarre & Bass“) habe ich eine kleine Anzeige geschaltet und fuhr mit meinem Bausatz nach Bonn zu Dieter Roesberg zwecks Testbericht.

Um die vielen Gestaltungsmöglichkeiten des Bausatzes aufzuzeigen, hatte ich eine Gitarre in Cowboystiefel-Form gebaut. Im Nachhinein nicht meine beste Marketing-Idee. Besser wäre eine Stratocaster-Form mit speziellen Features gewesen. Doch Dieter R. hat sofort erkannt, dass hier etwas Neues im Gange war.

Ich hatte zwei unterschiedliche „BAU SIE DIR SELBST-KITS“ am Start, sowie ein recht überschaubares Sortiment an Mechaniken und selbst designten Wrap-Around-Bridges (siehe erster Katalog „Atze’s Soundhouse“). Obendrein sogar das erste Wrap-Around-Tremolo („der Style Super-Vibrator“), Stege, allerlei Elektrik-Parts, Saiten usw.

Und schon trudelten die ersten Katalog-Bestellungen ins schmale Reihenhaus im Göttinger Ostviertel, mit Werkstatt und Lager im Keller. Und kurz nachdem der Bausatz-Testbericht im Fachblatt erschienen war, rissen die Auftragsbestellungen nicht mehr ab. Meiomei, die ersten Kataloge habe ich noch mit einer IBM Kugelkopf-Schreibmaschine und Letraset Aufreibe-Buchstaben für die Überschriften layoutet.

Katalog 1978
Soundhouse
Bausatz 1, Cowboystiefel-Body
Der Style Super-Vibrator - ein Meisterwerk der Fa. Müller!

Bridges Tailpieces

Pickups

Wicklung
Das Jurastudium hatte ich praktisch schon geschmissen und mich nur wegen der Krankenversicherung weiter eingeschrieben, meine Band „Schulzrock“ („jetzt endlich in deutsche Sprache“) hatte lokalen Erfolg, und mein neues Business wuchs mir ein wenig über den Kopf. Also beteiligte ich unseren Bassisten Michael Zülsdorff an meinem Geschäft (Gölsdorf & Zülsdorff). „Züli“ war Physikstudent und kenntnisreich in elektrischen Dingen; Vorgänge, die mir eher fremd waren. Und auch mein Freund Ullus, unser Leadgitarrist, den ich noch in Würzburg kennengelernt hatte und der zeitgleich mit mir nach Göttingen gezogen war, wusste einiges über Elektrik und dergleichen, weil er als Kind einen Kosmos-Elektromann-Baukasten gehabt hatte.

Junior mit Wrapper

Ullus hatte eine Les Paul Junior und ich zwei Gibson Juniors und eine Epiphone. Alle mit P-90 Pickups bestückt. Ein echt geiler Sound, wie wir fanden. Das muss wohl auch Leslie West so empfunden haben, als dieser versierte Les-Paul-Junior-Spieler mit seiner Band „Mountain“ in jenen Jahren weltweit Furore machte. Der dicke Leslie, Ullus und ich hatten offenbar denselben Geschmack in Sachen Gitarrensound. Einmal mehr – wenngleich etwas an den Haaren herbeigezogen – fühlte ich mich bestätigt in meiner These, dass die eigentlich geilen Gibsons nicht die Les Pauls (oder anderen Humbucker-Gitarren) waren, sondern vielmehr die Modelle Les Paul Junior, TV und Melody Maker. Alles Gitarren mit Single-Coil-Pickups und Wrap-Around-Bridges. Wer einmal Carlos Santana mit seiner „billigen“, P-90 bestückten SG mit diesem unglaublich geilen Sound auf dem Woodstock-Festival (gesehen und) gehört hat, der weiß, was ich meine. Aber die Geschmäcker sind nun mal verschieden und manche Musiker wechseln für eine handfeste Geldzuwendung auch mal gern das Fabrikat. 

Der Zufall half mir, dass ich aus Erlangen eben auch jegliche Bauteile für P-90-artige und sonstige Pickups beziehen konnte. Und so folgte ich meinem ureigenen Antrieb, meinem Credo: Wir machen das selber!

„Klar, so‘n Pickup, das ist doch nur ‘ne Spule aus Kupferdraht und ein Magnet!“, sagte Ullus. Auch Zülsdorff war gleich Feuer und Flamme und besorgte sogleich eine Messbrücke, einen Tongenerator und einen Oszillographen, um der Physik der Pickups auf den Grund zu gehen. Die Idee: Was kommt von den Saiten als Schwingung rein in den Pickup und was kommt raus? Und wie kann man das physikalisch verifizieren?

Mal kurz in Sachen „Schulzrock": Wir schrieben Songs unter dem Motto „Jetzt endlich in deutsche Sprache!" und haben es immerhin bis aufs Göttinger Altstadtfest geschafft. Schon lange vor den Ärzten hatten wir zur Zelebration unseres Songs „Ein Hauch von Venyl (Du bist so kühl!)" eine Gummipuppe besorgt und die von einem wohlmeinenden Mitarbeiter der hiesigen Uni mit Helium füllen lassen, auf dass sie im rechten Moment in den Himmel schwebe.  Hat natürlich nicht geklappt weil zu schwer. Unser Roadie hat sie dann zu dem Song an einem Seil hoch über die Bühne gezogen.


Aber weiter mit den Pickups: Dabei wurde als erstes festgestellt, dass sämtliche P-90 völlig unterschiedliche Werte hatten – egal, ob am Steg oder am Hals. Anscheinend hatte man bei Gibson einfach nur nach Augenmaß und Gutdünken gewickelt. Aber egal: Wir hatten einige Juniors, die einfach gigantisch klangen, und eine ES-330, deren Halspickup ebenso genial offen zur Ansprache kam. Die Analyse dieser beiden Pickups haben wir für unsere eigenen Kreationen benutzt, und machten uns weiter Gedanken über „perfekte“ Tonabnehmer.

Ullus wusste von seinen Elektromann-Kenntnissen, wie die Spulen zu wickeln waren. Allerdings galt es zu bedenken, dass schon damals die meisten handelsüblichen Gitarren mit Humbuckern bestückt waren, also auch mit entsprechenden Ausfräsungen. Kein herkömmlicher P-90 hätte gepasst. Doch Zülsdorff kriegte es hin, für eine P-90-Spule in Humbuckergröße genau dieselben Werte zu erzielen, die unsere grandioser Junior-Pickups hatten. Unsere „Domino“-Pickups waren geboren.

Ullus mit TV Junior
Hier Ullus mit seiner TV-Junior – Schulzrock auf dem Altstadtfest in Göttingen

Dieselben Versuche und Analysen wurden mit allen anderen „amtlichen“ Pickups gemacht (Strat, Tele, Jazz-Bass, P-Bass usw.) und wir konnten unser erstes eigenes Pickup-Sortiment anbieten: selbst gewickelt, montiert, verlötet und verwachst gegen eventuelles Feedback. Züli hat sämliche Frequenzgangskurven verschiedenster Wicklungen genauestens aufgezeichnet und außerdem entdeckt, dass Pickup-Kappen aus Messing wegen des darin enthaltenen Nickels die Kurven nach oben drückten, also den Sound negativ beeinfussten. Nur die originalen Gibson PAFs hatten Neusilberkappen, welche sich nicht negativ auf den Sound auswirken. Und die Müller-Hardware-Company war in der Lage, diese Kappen aus Neusilber zu machen. Bingo!

Mein lieber Herr Gesangsverein, wir haben damals wirklich Nächte durchgearbeitet, 22-Stunden-Tage waren keine Seltenheit. Aber sowas macht man, wenn es etwas zu erforschen und entwickeln gibt.

Eine Meisterleistung von Züli war auch, unseren Stromzähler im Keller anders herum anzuschließen, sodass dieser rückwärts lief. „So spart man doppelt!“. Außerdem gab es eine Art Reißleine, um das Versorgungskabel im Falle eines Besuches von den Stadtwerken blitzschnell entfernen zu können.

Und hier sieht man unsere Wickelmaschine. Ein kleiner Elektromotor mit Scheibe zur Aufnahme diverser Spulen, nebst Zählwerk und Drahtführung, die dazu diente, den Spulendraht relativ ungeordnet aufzuwickeln, weil das die elektrische Kapazität verringert und damit die Pickups offener klingen.
Wickelmaschine

1979 durchgehende Hälse

Durchgehende Hälse
Plötzlich kamen die ersten Gitarren und Bässe mit durchgehenden Hälsen auf den Markt. Diese neue Bauart mussten wir natürlich sofort für neue Bausätze übernehmen. Die Erlanger Holzfirma hatte auch umgehend mit der Produktion von Halsrohlingen dieser Art begonnen. Man konnte die genau nach Maß in diversen Holzvariationen ordern, also z.B. Ahorn mit einem Mittelstreifen Mahagoni oder Mahagoni mit verschieden starken Ahornstreifen.

Dann folgte ein arbeitsintensiver Prozess: Trussrod einsetzen, Griffbretter aufleimen, schleifen, egalisieren, Bünde einpressen und planieren, polieren etc. Ganz einfach war das nicht. Die Griffbretter mussten natürlich genau zentriert sitzen und mit den Außenkanten der Halsrohlinge fluchten. Und wenn man zwei Teile Holz mit Holzleim aufeinander leimt, verschiebt sich da per Zwingendruck gern mal was in jegliche Richtungen. Also haben wir zwei kurze Nagelstifte ins Halsunterteil gehämmert, sodass die noch minimal nach oben heraus standen. Anschließend die Griffbretter genauestens positioniert und mit zwei Hammerschlägen fixiert, sodass sich beim Festziehen der Zwingen nichts mehr bewegen konnte. Die Bünde haben wir mit einem umfunktionierten Wolfcraft-Bohrständer eingepresst, dann alles mit unterschiedlichen Feilen egalisiert und per Schwingschleifer samt feinstem Nass-Schleifpapier spiegelglatt poliert.

Noch in Göttingen

Atzes Soundhouse Cartoon

Der alte Wilfer


Wir waren auf der Suche nach etwas exotischeren Holz-Seitenteilen für die Bausätze mit durchgehenden Hälsen. Und wieder einmal war es Joe Marinic, der mir mit einem guten Tip weiterhelfen konnte: ich solle es doch mal beim alten Wilfer versuchen.Wilfer? Klar, die Firma Framus, die gerade die große Pleite hinter sich hatte. Die hätten bestimmt einiges an Holz zu verkaufen.

Vater und Sohn Wilfer hatten gerade den Namen Warwick aus der Taufe gehoben. Die Vorgänger-Firma Framus war zwar stark geschrumpft, aber es war immer noch eine riesige Fabrik im weitesten Sinne. Sohn Hans-Peter hatte gerade als junger Spunt die Geschäftsführung übernommen, und Vater Fred krauchte auch irgendwie in der Fabrik rum und versuchte aus dem Hintergrund, das stark angeschlagene Schiff wieder auf Kurs zu bringen. Aber die eigentlich guten Ideen für Framus, bzw. jetzt Warwick, kamen stets von einem gewissen „Bill Lawrence“, dessen bürgerlicher Name Joseph Stich (damals mehr als „Billy Lorento“ bekannt). Der hat Sohnemann Wilfer schließlich auch geraten, die damals hoch am Markt stehenden Spector-Bässe zu kopieren, was dann ja auch ein Super-Erfolg für Warwick wurde.

Und so kam man letztlich auf die Idee, sich unbedingt wieder eine spezielle Reichenbacher Kopierfräse für Gitarrenhälse anzuschaffen, wie sie leider im Laufe der Framus-Pleite 1975 unter den Hammer gekommen war. Diese Maschine arbeitet mit einem Modell zweier quasi auf der Griffbrettseite aufeinander geleimter Hälse, welches rundherum abgetastet wird und zur gleichen Zeit einen Fräser steuert, der einen oder mehrere Holzrohlinge rundherum abfräst. So kann man beliebige Halskonturen automatisch und perfekt herstellen. Der abgefräste Block wird dann in der Mitte auseinander geschnitten und man hat zwei Hälse, an denen man nur noch minimale Feinheiten nachschleifen muss – immens weniger Arbeit, als bei den Halsrohlingen, die wir verwendeten.

Und genau so eine Maschine stand in der Eimbeckhausener Möbelfabrik meiner Schwiegereltern zur Fertigung von Stuhl- und Tischbeinen und sollte aus irgendeinem Grunde weg. Also bin ich mit dem alten Wilfer von Erlangen aus zu meinen Schwiegereltern gefahren. 

Der Wilfer-Fred war ein ziemlich verrückter Typ, egozentrisch und narzistisch, und hatte für sein damaliges Alter von Mitte 60 noch immer eine unglaubliche Energie. Als wir dann aber mit meinem Schwiegervater zusammen saßen und der finanzielle Teil der Aktion zur Sprache kam, stellte sich leider heraus, dass Fred abstruse Finanzierungsvorstellungen und gleichwohl keine deutsche Mark auf der Naht hatte. So ist das Projekt geplatzt. Aber es war ’ne interessante Fahrt von fast 1.000 Kilometern, und Fred hatte allerlei zu erzählen; allerlei Dinge, die für meinen geschäftlichen Werdegang nicht unwichtig waren.

Bill Lawrence

Bill Lawrence
Über diese Framus-Geschichte habe ich Bill öfters getroffen. Meistens waren es eher anstrengende (und einseitige) Gespräche, da er am liebsten endlos über physikalische Formeln schwadronierte, denen ich mit meinem fundierten Halbwissen nur schwerlich oder gar nicht folgen konnte. Immerhin wusste er von unseren gezielten Pickup-Experimenten, was ihn wohl nachhaltig zu beeindrucken schien. Als überzeugter Theoretiker versuchte er dann, unsere Experimente doch etwas zu relativieren, indem er mal erwähnte, dass das Prinzip des Humbuckers bereits im Jahre1825 in Italien erfunden wurde, und zwar für ein seismologisches Instrument mit zwei gegenphasig arbeitenden Spulen zum Messen irgendwelcher Erdstöße. Ja, Bill Lawrence war physikalisch ganz weit vorn, und seine Pickups haben sicherlich einen Meilenstein in der Geschichte gesetzt.

Fundiertes physikalisches Wissen eben. Na ja, damit hat er zwar die Welt nicht verändert, aber die der Gitarristen in jenen Jahren doch schon zumindest ein kleines Stück. Chapeau!

Rockinger Lady

Rockinger Lady

Wir hatten uns gerade von „Atze’s Soundhouse“ in „Rockinger“ umbenannt. Das klang einfach professioneller und viel mehr nach „Marke“ – insbesondere in Anbetracht unserer diversen ureigenen Produkte. Aber auch, weil ich als Les-Paul-Junior-Fan auf die Idee kam, dieses eigentlich äußerst simple Gitarrenkonzept in ein eigenes Modell mit signifikantem Gesicht umzusetzen. Und ganz wichtig: das „Gesicht“ sollte weiblich sein.

In den Würzburger Zeiten hatte ich mal einen beim Herrn Benker erworbenen Höfner-Hals auf einen eigenen Body gebastelt, dessen untere Seite eine Art weibliche „Gesäß“-Form besaß. Die Bodyform habe ich dann per Kurvenlineal weiterentwickelt, genau wie den speziellen Halseinsatz, d.h. der Hals ragte fast bis zum Pickup in den Body und war wie eine Griffbrettverlängerung mit schickem Geipel-Schildpatt oder einem anderen bunten Zeugs, was wir später „LSD-2000“ nannten, abgedeckt. Die „Lady“ sollte außerdem ein praktisches Pickguard haben, auf dem unser P-90-Domino-Pickup und die Kontrollen unterzubringen waren. Was lag näher, als dieses Pickguard in Form einer weiblichen Brust zu designen. So ist sie entstanden, die Rockinger Lady. Immerhin war Carl Carlton der Erste, der diese Gitarre feierte und spielte!

Rockinger Lady im Katalog

Alsbald kam dann auch ein Lady-Modell mit Tremolo, dem neu aus dem Hause Rockinger entwickelten Vibromaster. Das funktionierte mit einer Druckfeder unter der Bodenplatte und war in zwei Schrauben gelagert.
Rockinger Lady mit Vibromaster

Vibromaster-I

Vibromaster-II


Auch feinste Arbeit der Firma Müller & Sohn!